Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts entstanden in Schleswig-Holstein überall auf den Dörfern Meiereien. Sie lösten die so genannten Holländereien ab, in denen von Fachleuten aus Holland die Milch überwiegend zu Käse verarbeitet wurde. Dies geschah besonders in Ostholstein, da es sich dort von der Milchmenge her lohnte. Das Aufrahmen der Milch geschah in Bütten aus Holz. Der sich bildende Rahm wurde zu Butter verarbeitet. Auch Käse wurde weiterhin produziert und beide Produkte örtlich direkt verkauft. Die anfallende Molke ging zur Fütterung an die Schweine. Durch die technische Entwicklung – besonders die Erfindung der Zentrifuge, auch Separator genannt – wurde es möglich, kontinuierlich größere Mengen Sahne herzustellen, um daraus haltbare Butter zu gewinnen. Dieses führte zur Gründung vieler kleiner Meiereien. Die Meierei Hennstedt wurde am 15. März 1886 als Genossenschaft von 9 Bauern gegründet; sie gehörte damit zu den ersten Genossenschaften in Schleswig-Holstein.
Wer Milch liefern wollte, musste laut Satzung einen Antrag an den Vorstand stellen, der entschied, ob der Antragsteller ‚nur Milchlieferant’ oder Genossenschaftsmitglied werden sollte. Bei Aufnahme war ein Eintrittsgeld fällig, das sich nach der Anzahl der Kühe richtete. Es wurden Betriebskosten erhoben, die auch durch Sachleistungen beglichen werden konnten: So wurde in einem Fall verlangt, den Vorplatz der Meierei mit Kies zu befahren, und in einem anderen Fall, dass von Horst Eis aus der Eider für den neu gebauten Eiskeller beschafft werden sollte.
Die Entscheidungen des Genossenschaftsvorstandes führten aber zu Unmut und Verärgerungen, sodass diejenigen Bauern, die sich benachteiligt fühlten, Ende der 1890er Jahre eine zweite Meierei gründeten, und zwar in der Heider Straße Nr. 16. Sie bestand bis 1918.
In den Anfangsjahren liefern die Bauern selber die Milch in der Meierei ab: Entweder wurden die Milchkannen mit einer Dracht auf der Schulter hingetragen oder von einem Hundekarren gezogen. Später schlossen sich mehrere Bauern zusammen und beförderten die Milch mit dem Pferdefuhrwerk.
Nach dem 2.Weltkrieg mussten viele kleine Meiereien aufgeben, da manche Betriebsleiter nicht aus dem Krieg zurückgekehrt waren. Auch konnten in vielen Fällen notwendige Investitionen nicht getätigt werden.
Die Hennstedter Meierei dagegen entwickelte sich positiv. Durch die Schließungen der Meiereien in Kleve 1942 und Fedderingen 1948 kamen die Milchlieferanten aus diesen Dörfern dazu. Die größeren Milchmengen und die höhere Milchleistung der Kühe machten nun technische Erneuerungen unbedingt notwendig.
So wurde ein völlig neues Betriebsgebäude erstellt. 1958 begann der Abriss der beiden alten Gebäude. Dies geschah in Etappen, weil die Milchannahme und deren Verarbeitung täglich weitergehen mussten. Es entstand der Neubau aus rotem Klinker. Auf der Rampe wurde eine Kannenförderbahn zur Arbeitserleichterung installiert.
In dem Jahr des Neubaus übernahm Heinz Schirmacher die Leitung des Betriebes.
Die positive Entwicklung der Meierei wurde in einer großen Jubiläumsfeier anlässlich des 75jährigen Bestehens am 15. März 1961 gewürdigt.
In den 60er Jahren gab es für alle Meiereien eine generelle Änderung der Milchabfuhr. Wurde bisher die Milch von den Bauern zu Meierei gebracht, wurde sie danach vom Bauernhof abgeholt. Dies erfolgt durch Milchsammelwagen und bedeutete eine erhebliche Arbeitserleichterung. So bekam auch die Meierei Hennstedt 1973 zwei Milchsammelwagen anstelle der bisherigen 7 (davon 6 mit Treckern gezogene) Milchwagen.
Der Strukturwandel der Meiereien vollzog sich seit den 50er Jahren unaufhaltsam. Er wurde ausgelöst durch die staatliche Förderung für die Meiereien mit dem Ziel, größere Produktionsmengen zu erreichen, die der stärker werdende Lebensmittelhandel verlangte. Es war die Zeit der Fusionen, nicht nur in der Milchwirtschaft: So gab es 1950 in Schleswig-Holstein 536 Meiereien, 1960 waren es 443 und 1980 nur noch 96, die Zahl sank bis 2012 auf lediglich 13 Unternehmen. Die Meierei in Hennstedt war noch lange wettbewerbsfähig, weil sie eine einfache Produktion von Butter und Sahne hatte und dadurch geringere Personalkosten anfielen. Es waren neben dem Betriebsleiter 2 Meierei-Gehilfen und 1 Lehrling (die viele Jahre Kost und Logis im Hause erhielten) und eine Büroangestellte beschäftigt.
1974 übernahm Heinz Schirmacher die Geschäftsleitung der ‚Milchverwertung Dithmarschen’ in Heide, und Meiereimeister Hans Rathmann wurde in Hennstedt eingestellt.
Jedoch mussten die Verwaltungsorgane letztendlich erkennen, dass der Anschluss an ein größeres Milchwerk unausweichlich war. Nach Prüfung von drei Angeboten beschloss die Generalversammlung, sich der ‚Nordbutter’ in Hohenwestedt anzuschließen. Im Jahr der Auflösung 1986 waren immerhin noch 65 Genossen als Milchlieferanten aktiv. Dieses entsprach einer Jahresanlieferung von 10 Mio.kg Milch.
Die Liquidation wurde per 30. Juni 1986 beschlossen. Die Meierei Hennstedt hat also 100 Jahre bestanden! 4 Nicht unerwähnt soll bleiben, dass in Horst ebenfalls eine Meierei existierte. Der Schornstein wurde nach Schließung des Betriebes abgerissen, das Gebäude selbst wird heute als Wohngebäude genutzt.
Altes Meiereigebäude (Gebäude ganz links: Schmiede von Walter Schmidt, 1968 von der Meierei gekauft und abgerissen); daneben Wohnhaus, kleines eigenes Elektrizitätswerk und Meierei
Auszüge aus alten Protokollen
Meierei innen
Umbau des alten Gebäudetraktes 1958 - Der Betrieb läuft weiter.
Im Jubiläumsjahr 1961 wird die Milch noch von den Bauern in Kannen angeliefert
Der letzte von Pferden gezogene Milchwagen Fahrer Heinrich Rolfs, auf der Rampe Heinz Schirrmacher 1973
75 Jahre Meierei Hennstedt , 1961. Zu sehen ist die gesamte Mannschaft mit Vorstand, Fahrern, Familie Schirmacher und Hauspersonal.
Hintere Reihe von links: Anneliese Harbeck, Bruno Schmidt (Fedderingen), Peter Jebe (Busch), Heinrich Rolfs (Fedderingen), Hans Clausen, Frau Schirmacher
Mittlere Reihe v.l.: Johann- Friedrich (Hanne-Friech) Schlüter, Heinrich Bohnhoff jun., Ernst Boje, Johannes Vester, Johann Maaßen (davor Reimer Maaßen), Jakob Hansen (davor Hans-Jürgen Haalck),
Ganz vorne von links: Hausmädchen, davor Holmer Schirmacher, Frau Obst, davor Hauke Schirmacher
Ganz hinten die Meieristen v.l. Horst Kruppa, (der nächste Name unbekannt, war aber der Schwiegersohn von Bäcker Axen), mit weißer Mütze Betriebsleiter Heinz Schirmacher.
Abriss des Meierei-Schornsteins in Horst