Aufgefallen ist, dass die finanziellen Verhältnisse in der Zeit der Weimarer Republik (1918 -1933) zwischen den einzelnen Hennstedter Familien sehr unterschiedlich ausgeprägt waren. Während einige Kinder ihre Geburtstage in großer Runde feiern konnten und viele Spielsachen besaßen, mussten andere schon nach dem Schulunterricht beim Bauern arbeiten, um zur Haushaltskasse beizutragen. Auch war es interessant festzustellen, wie selbständig unser Dorf damals im Vergleich zu heute in wirtschaftlicher Hinsicht war – fast schon ein geschlossenes System mit verhältnismäßig wenigen Kontakten zur Außenwelt.
Die Grundnahrungsmittel wie Kartoffeln,Getreide- und Milchprodukte lieferte die heimische Landwirtschaft und wurde ergänzt durch frisches Gemüse und Obst aus den eigenen Gärten.
Die meisten Haushalte waren ohnehin Selbstversorger, indem sie neben ihrem Haupterwerb noch einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb unterhielten.
Auch Gastwirtschaften, Bäckereien, Tagelöhner und andere bewirtschafteten in der Regel ein kleines Stück eigenes Land von höchstens 1 ha und hielten sich 1 bis 2 Schweine oder Ziegen.
Was man zusätzlich brauchte, holte man sich aus einer von zeitweise sieben in Hennstedt existierenden Kolonialwarenhandlungen, deren Bezeichnung sich von den Kolonien ableitete, aus denen die angebotenen Genussmittel wie Kaffee, Tee, Kakao, Tabak, Gewürze stammten – damals alles Artikel der gehobenen Art, was werbewirksam im Namen Kolonial eingesetzt wurde.
Einige nannten sich auch Gemischtwarenläden, da sie neben den Nahrungs-, Genuss- und Reinigungsmitteln auch Manufaktur-, Haushalts- und Kurzwaren im Sortiment führten. Es gab also schon damals Supermärkte in Hennstedt! 5 Bäckereien und je ein Fisch-, Obst-, Milch- und 2 Schlachterläden ergänzten zeitweise das Nahrungsangebot.
Mit Ausnahme der Rolfsstraße bestanden alle Straßen entweder aus Grant (Granulat) oder waren mit einem ‚knubberigen‘ Kopfsteinpflaster belegt (heute noch teilweise auf dem ‚Doktorweg‘ am Haus von Dr. Wrede zu erkennen). Da die Wege überwiegend zu Fuß bewältigt wurden, waren der Verschleiß an Schuhsohlen und der Reparaturbedarf groß, so dass mehrere Flickschuster stets ihr Auskommen hatten.
Andere Schuster boten in ihren Läden neue Schuhe und Stiefel an oder stellten auch solche nach Maßanfertigung her, was auch damals schon seinen Preis hatte. Während viele Kinder im Sommer – manche aus Armutsgründen auch im Winter– barfuß liefen, waren für andere die Holzpantoffeln, die zusammen mit Wollstrümpfen auch im Winter immer schön warm waren, das Schuhwerk schlechthin.
Einige Schuster waren bei den Kindern sehr beliebt. Oft und gerne hatten sie diesen bei ihrer Arbeit zugeschaut und den angenehmen Geruch des Leders und Schusterleimes gerochen.
Viele Familien besaßen ein kleines Moorgrundstück in der Umgebung von Hennstedt, aus dem sie Torf für den eigenen Verbrauch und zum Verkauf gewannen. Feuerholz lieferte ebenfalls die Umgebung, während zwei Kohlenhandlungen Briketts, Eierkohlen und Koksdirekt ins Haus bzw. in den Schuppen lieferten. Damit waren die damalige Beheizung der Wohnstuben und das Befeuern von Herden und Waschkesseln sichergestellt.
Neben zwei Textilläden, die außer fertiger Berufskleidung hauptsächlich Kleider- und Wäschestoffe verkauften, sorgten mehrere Damen- und Herrenschneidereien für die Bekleidung, während Weißnäherinnen zum Anfertigen von Haushalts- und Leibwäsche direkt ins Haus kamen. Das textile Angebot wurde ergänzt durch ein Handarbeitsgeschäft, das zusätzlich Damenhüte herstellte (sh. eigener Bericht ‚Putzmacherin Will’). Gestrickt wurde selbstverständlich selbst, zum großen Teil auch mit eigenhändig gesponnener heimischer Schafswolle.
Kolonialwarenladen Struwe Ecke Mühlen-/Heider Straße Innenansicht
Lebensmittelladen Am Markt Helmut Beeck, vorher Gasthof Heinrich Käseler
Torfgewinnung
Das ehemalige Textilgeschäft von August Tanck Nachfolger Hans Heine in der Kirchstraße 1.
Das Haus wurde 1985 verkauft und steht jetzt unter Denkmalschutz.
Werbeanzeigen 1906 Aus: ‚Hennstedter Landbote‘ , Jahrgang 1906
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