„Drittes Reich“ im Dorf

In der nationalsozialistischen Zeit

Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) konnte in Dithmarschen schon in den zwanziger Jahren Fuß fassen. Die Zustimmung zu Hitler war in Dithmarschen weit höher 
als im Reichsdurchschnitt. 1  Dithmarschen stellte innerhalb Schleswig-Holsteins gewissermaßen einen `braunen Leuchtturm` dar. Kaum sonst wurde der Nationalsozialismus so freudig und früh herbeigesehnt wie hier, kaum anderswo wurde er so intensiv aufgenommen und verinnerlicht“. 2
In Hennstedt wurde die NSDAP 1928 gegründet (von Brix / Altona), nachdem der Gauleiter H. Lohse zweimal in Hennstedt gesprochen hatte. Erst traten 57 Personen der Partei bei, doch nach dem Geschehen in Wöhrden, der sog. „Blutnacht“ (März 1929), bei dem Kommunisten und SA aneinander gerieten und zwei SA-Leute und ein Kommunist getötet wurden, stieg die Mitgliederzahl deutlich an – zumal die getöteten SA-Leute von der NSDAP ausgerichtete Begräbnisse erhielten, zu denen auch Hitler erschien.4
In Hennstedt wählten 1928   25,9 Prozent 5  der Einwohner die NSDAP und 1930 sogar 72,8 Prozent. Die Stellung der NSDAP in den Dörfern - und somit auch in Hennstedt - war unangefochten, sie bestimmte das gesellschaftliche Leben und übte die Kontrolle innerhalb der Gemeinschaft aus.6 Ihr Ansehen rührte auch daher, dass sich die wirtschaftliche Situation besserte, die Arbeitslosenzahl sank, und ab 1933 gab es erstmalig Kindergeld.
Viele Propaganda-Veranstaltungen festigten das Ansehen der NSDAP, wobei plattdeutsche Redner (Kummerfeld / Oeser / Lühr-Oldigs) sicherlich besonders gut ankamen. Aber auch für Zerstreuung sorgte die Partei, z. B. in Form von Filmvorführungen: Im „Kaisersaal - Lichtspiele/Hennstedt“ gab es Unterhaltungsfilme, zu denen die zahlreichen Zuschauer aus Heide, Wiemerstedt und Pahlkrug mit diversen Zwischenstopps per Bus herangefahren wurden. Daneben beeinflusste der Rundfunk das Freizeitverhalten der Bevölkerung;  in 65 Prozent der Haushalte war ein Volksempfänger zu finden, der Unterhaltungsmusik bot und später überwiegend Propagandazwecken diente. Nachdem Hitler Reichskanzler geworden war, sorgte die Ortsgruppe Hennstedt dafür, dass in einer von der Hitlerjugend gestalteten Propaganda-Feier eine Eiche gepflanzt und ein Gedenkstein gesetzt wurde.
Außerdem war es selbstverständlich, dass zu jedem Haushalt ein Hitlerbild gehörte. Auch im Alltag 1935 wurden die neuen politischen Kräfte sichtbar: „Das Straßenbild Hennstedts war, soweit es sich um den Personenverkehr handelte, von der braunen Uniform beherrscht. Feste, Feiern und Kundgebungen wurden von der Partei veranstaltet. Tradition? Das waren Feldherrnhalle und „Horst-Wessel-Lied “.7  Das Vereinsleben Hennstedts kam weitgehend zum Erliegen. Durch die Gleichschaltung (ab 1933) bekam die Partei überall das Sagen, und die Vereine stellten ihre Aktivitäten ein oder um. Auch die Agrarverbände wurden zwangsvereinigt zum Reichsnährstand, die Landwirte konnten ein Schild mit der Aufschrift Reichsnährstand (unter Hakenkreuz, Adler und Eichenlaub) an ihrem Anwesen befestigen und so ihre Verbundenheit mit dieser NS-Organisation bekunden. Die einzig anerkannten staatlichen Jugendorganisationen waren die Hitlerjugend (HJ) und der Bund deutscher Mädel (BDM), alle anderen nicht nationalsozialistischen Jugendorganisationen waren am 1. Dez. 1936 aufgelöst worden. HJ und BDM hatten großen Zulauf aufgrund der Propaganda und der Furcht vor Benachteiligung, falls man nicht beitreten würde. So wurden auch die meisten Unwilligen erfasst – sie gehörten nun einer Zwangsorganisation an, die ihrerseits die „Freiwilligkeit“ der Mitgliedschaft betonte.

Später wurde der Beitritt in die HJ mit 14 Jahren obligatorisch. „Nationalsozialismus ist organisierter Jugendwille“ hieß eine bekannte Losung dieser Zeit. Der Dienst in der HJ bestand aus Marschieren in der Kolonne, Einübung von Liedern, Geländespielen, Zeltlagern und anderen Gruppenaktivitäten. In der HJ und im BDM sollten Standesunterschiede beseitigt und die nationalsozialistische Gesinnung gefördert werden. Es waren für die Jugend beliebte Vereinigungen, die besonders durch ihre Freizeitangebote attraktiv waren. Alle Zeitzeugen äußerten sich positiv über diese Jugendorganisationen: Das Wichtigste war ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl. Kameradschaft, Treue und Einsatzbereitschaft wurden gefördert – Dass diese Werte später missbraucht werden sollten, war zunächst nicht abzusehen. An ideologische Beeinflussung konnten die Zeitzeugen sich kaum erinnern, das geschah „eher in der Schule“, wurde aber wohl selten hinterfragt.

Es war erstrebenswert Uniform zu tragen, mit Gesang zu marschieren, gegeneinander spielerisch zu kämpfen, was auch nicht als vormilitärischer Drill angesehen wurde. Die Jugendlichen waren mit Eifer dabei, denn endlich wurde ihnen etwas geboten. Besonders im Sport wurden sie gefordert; in Wettkämpfen konnte die Reichssiegernadel errungen werden, die heiß begehrt war.  Und in Ballwettkämpfen zwischen den Dorfschulen galt es, das Reichsbanner zu erringen. Bei Fahnenweihen – dort wurde ein Schwur auf Adolf Hitler geleistet - konnte sich die HJ von ihrer `besten Seite` zeigen; einheitlich gekleidet, diszipliniert, dem Ereignis in 'angemessener Würde` verbunden.8

In Partei-Propaganda-Veranstaltungen wurde die HJ ebenfalls einbezogen. Aber auch Pflichten anderer Art gehörten zum Programm der HJ, z. B. wurde sie bei Ernteeinsätzen angefordert, oder sie musste für das Winterhilfswerk der Nationalsozialistische Volksfürsorge (NSV) sammeln. Überhaupt gab es in der NS-Zeit viele Sammelaktionen: Papier, Altmetall, Kleidung waren begehrte Rohstoffe, und die HJ war stets dabei.
Bis zum Alter von 16 Jahren gehörte man der HJ an, deren Mitgliedschaft bis 1939 freiwillig war. Es war aber von Vorteil, ihr anzugehören, und erleichterte z.B. den Zugang zur Hochschule oder in Lehr- und Arbeitsverhältnisse. Neben der HJ gab es den  Reichsarbeitsdienst RAD. Hier war die Teilnahme für alle männlichen und weiblichen Arbeitskräfte im Alter von 18 – 25 Jahren Pflicht. Der RAD hatte den Auftrag, gemeinnützige Projekte zu unterstützen.

Ziel war sowohl in der  HJ als auch im RAD  insbesondere die Ausbildung „kerngesunder Körper in einer Volksgemeinschaft“. Der Leitgedanke der Volksgesundheit war Bestandteil der Rassentheorie der Nationalsozialisten und wurde im sogenannten Ahnenpass dokumentiert. Auch die Hennstedter kamen pflichtbewusst der Forderung nach, ihre Abstammung bis zu den Lebensdaten der Großeltern zurückzuverfolgen. Dieses diente dem Ariernachweis und damit der Überlegenheit der sogenannten „arischen oder nordischen Rasse“. Wer diesen Nachweis nicht erbringen konnte,  musste mit Verfolgung rechnen, gehörte nicht den „Volksgenossen“ an und war womöglich ein „Volksschädling“. Hierzu gehörten insbesondere Juden, Sinti und Roma. In einem Propagandablatt des NS-Regimes heißt es: “Halte das deutsche Blut rein... Die Reinhaltung des Blutes liegt im Interesse aller wertvollen Rassen...Jeder, der nicht deutschen Blutes ist, ist fremdblütig.....SEI STOLZ, DASS DU EIN DEUTSCHER BIST!“ 9  Bei den meisten Zeitzeugen ist der Ahnenpass noch heute in Familienbesitz.
Eine besondere Maßnahme der NS-Führung, die Volksgemeinschaft zu festigen, war der sogenannte Eintopfsonntag, der im Oktober 1933 ins Leben gerufen wurde. Immer am 1. Sonntag im Monat sollten die Deutschen ein Eintopfgericht verzehren und den Differenzbetrag zu einem sonstigen Sonntagsessen dem WHW spenden. Die Kosten durften sich nur auf 50 Pfennig pro Person belaufen. Mancherorts wurde diese Spendenaktion mit namentlichen Listen durchgeführt, so dass eine Kontrolle und gleichzeitig eine Diffamierung derjenigen, die nichts oder wenig gespendet hatten, möglich waren. Im Krieg wurde der Name Eintopfsonntag in Opfersonntag umgewandelt. 
Gemeinschaftserlebnisse wurden ferner geboten durch besondere Festtage,  z. B. die Sonnenwendfeier, der Tag der Bewegung oder der Reichsparteitag in Nürnberg, der der Selbstdarstellung der NSDAP diente. „Die verschiedenen Massenveranstaltungen, Feste und Feiern besaßen ohne Zweifel eine integrierende Wirkung und förderten die Zustimmung der Bürger zum NS-Staat“. 10
 

NSDAP-Ergebnisse bei den Reichstagswahlen

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Pflanzung einer Eiche zu Ehren Hitlers nach der Wahl zum Reichskanzler

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Der Gedenkstein der ursprünglich unter der Eiche lag, befindet sich heute in einem Privatgarten.

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Einweihung des Erbhofschildes Hof Claussen/Fredenhagen

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Tafel über dem Hauseingang von Hof Vester

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Erntehilfe der NS Frauenschaften - RS

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NS Hitlerjugend auf dem Weg zum Arbeitseinsatz

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