Hennstedter Zeitzeugen berichten

Handwerkliche Betriebsamkeit

Bemerkenswert ist, dass von fast allen Zeitzeugen erwähnt wird, dass sie das dörfliche Leben damals im Vergleich zu heute als viel lebendiger und ‚bunter‘ empfanden. 
Sie begründen es zum einen damit, dass die meisten Hennstedter ihren Lebensunterhalt im Dorf selbst fanden, während sie heute zur Arbeit nach auswärts pendeln müssen. 
Zum anderen gab es damals neben den vielen bereits beschriebenen Kaufläden ein wesentlich größeres und vor allem vielfältigeres Angebot an Handwerksbetrieben.
Neben vier Mühlen (davon 3 Windmühlen, 1 für eine Sägerei) und 2 Meiereien (je eine in der Kreuz- und Heider Straße) existierten  heute ausgestorbene Gewerke wie Stellmacher, Böttcher, Sattler, Färber, Töpfer (Kachelofensetzer), Barbier, Bürstenmacher, Putzmacherin, Weißnäherin u.a.
Sogar eine Fabrik (Völker) gab es in Hennstedt, die eiserne Öfen und emaillierte Herde herstellte. (sh. eigener Bericht). Zu erwähnen sind auch die Melkfahrer, die auf bestimmten Strecken die Milch von den Bauern abholen und die leeren Milchkannen später dort wieder abliefern mussten. Da sie die einzigen im Ort waren, die zuverlässig jeden Tag ihre Touren abfuhren, wurden sie auch gerne als Boten benutzt, indem man ihnen Nachrichten oder Einkaufslisten mit auf den Weg ins Dorf gab, die sie entsprechend abgaben, um auf der Rücktour das Bestellte wieder abzuliefern. 
Der Nachtwächter ging nachts kontrollierend durch die Straßen und gab mit seinem Feuerhorn Alarm, wenn Gefahr für das Dorf und seine Bewohner drohte. Gelegentlich wurde ein solcher Alarm auch vom Posaunisten der Hennstedter Feuerwehrkapelle übernommen. Oft bekam der Nachtwächter von privat den zusätzlichen Auftrag, nachts in den Viehställen bei bevorstehenden Geburten nach dem Rechten zu sehen und bei Bedarf den Bauern zu wecken, was meistens mit einer Buddel Kööm - auch ‚Roggenwährung‘ genannt - belohnt wurde. 
Auch einen Ausrufer gab es. Bei ‚Bekanntmachungen‘ ging er mit seiner Glocke alle Straßen und Plätze des Dorfes ab, um lauthals besondere Veranstaltungen oder Aktionen zu verkünden. 
Hierzu gehörten:
Appel an de Bohn! Poßen (Behälter) und Beutel sind mitzubringen!; De Schwatte (Schornsteinfeger) kummt am..... ‘; Utschlachten bi.... (bei Privatverkäufen von hausgeschlachtetem Fleisch); Geschirr an de Bohn to versteigern.
Bestimmt haben auch folgende damals existierende Häuser bzw. Einrichtungen zur Belebung des Dorfes beigetragen. Es gab den Bahnhof mit der Kleinbahn, 1 Arbeitsamt (Außenstelle), 1 Gleichstrom-Elektrizitätswerk, 1 Kaiserliches Post- und Telegraphenamt, 1 Zeitungsverlag mit Buchbinderei und Druckerei, 1 ‚Herberge zur Heimat‘ für Wanderburschen und Monarchen und nicht zuletzt das ‚Werkhus‘, später wegen seiner Lage und Hausnummer auch ‚Haus 100‘ genannt., das Armen- und Waisenhaus, Obdachlosenasyl und Gefängnis zugleich war und einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb unterhielt
 

Mühle Margaretha

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Mühle Justitia

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Aus: ‚Hennstedter Landbote‘ Jahrgang 1907  Werbeanzeigen

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Bahnhofsgebäude mit Eingang für die Erste und Zweite Klasse

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‚Neue Post‘  in der Mittelstraße

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