Wirtschaftsbetriebe und Berufe

Windmühlen

Es war im Dezember 1617, als ein heftiger Sturm eine Bockmühle in Hennstedt umriss und ca. 70 m weit ins Feld schleuderte. Dabei bohrte sich ein Flügel tief in den Boden, und der Mühlstein zersprang. Wie durch ein Wunder kam der Müller Hergen Rußen, der sich zu der Zeit gerade in der Mühle befand, mit nur leichten Verletzungen davon.
Diesem Ereignis verdanken wir eine der frühesten schriftlichen Erwähnungen einer Windmühle in Hennstedt in der Chronik des Landes Dithmarschen von Neocorus.
Da der umgerissenen Mühle bereits vor dem Unglück von einigen neu errichteten Häusern ‚der Wind genommen wurde’, baute der Eigentümer sie an anderer Stelle, und zwar in der Westerstraße (heute Mühlenstraße) wieder auf. Durch Erbschaft, Einheirat oder Verkauf, aber auch durch eine Zwangsversteigerung wechselte diese Bockmühle oftmals den Besitzer.
Als sie im März 1798 aus ungeklärter Ursache abbrannte, ließ der damalige Besitzer Carsten Ott Detlefs an gleicher Stelle eine technisch weiter entwickelte Holländermühle errichten, die – im Gegensatz zur Bockmühle - auf fest gemauertem Sockel stand, und bei der nur die Kappe mit den daran befestigten Flügeln vor Inbetriebnahme in den Wind gedreht werden musste.
Nach wiederum mehrmaligem Besitzerwechsel erwarb der überaus dynamische und erfolgreiche Brenner und Brauer Claus von der Heyde (Gründer des Gutes Apeldör) auf Umwegen und durch geschickte Verhandlungen 1835 diese Holländermühle. Vorher hatte er vergeblich versucht, vom Kirchspielsvogt Ottens (seinem Schwager) die Genehmigung zum Bau einer eigenen Windmühle zu erhalten, die er zum Mahlen des Korns für seine Brennerei und Brauerei gut hätte gebrauchen können. Begründet wurde die Ablehnung Ottens’ damit, dass eine zweite Mühle in Hennstedt sich nicht trage, wie die Erfahrung gezeigt hatte; denn eine solche gab es bereits vor Jahren im Dorf, die allerdings aufgegeben wurde (s.u.). 
Wiederum folgten mehrere Besitzerwechsel, bis Maas Henning Harms, der sich das Müllerhandwerk als Zimmerergeselle auf der Kampmühle in Meldorf ‚abgesehen’ hatte, die Mühle im Jahr 1845 für 14.000 Mark erwarb und auf den Namen seiner Frau 'Margaretha’ taufte. 
Nachdem im Jahre 1908 eine Dampfmaschine, 1930 ein Dieselmotor und danach ein Elektromotor die Mahlgänge bei Windstille antrieben, wurden nach dem Tod des damaligen Besitzers Friedrich Matthias Harms auf Antrag seiner Witwe, die Flügel und Kappe demontiert. 1982 folgte der Abriss der Reste der Mühle.
Die von Ottens erwähnte zweite Hennstedter Windmühle ließ Margaretha Behrens 1796 als Bockmühle – ebenfalls in der Westerstraße - errichten. Sie wurde von ihrem Mann Detlef Behrens betrieben und brannte bereits ein Jahr später aus ungeklärter Ursache ab. Der danach erbaute Holländer wurde 1806 ebenfalls ein Raub der Flammen, und 1808 brannte auch der Nachbau völlig nieder. Die Brandursachen konnten nie geklärt werden. Zwar war Detlef Behrens früher bereits ‚in auffälliger Weise’ in der Nähe der Schwienhusener Mühle gesichtet worden, kurz bevor diese abbrannte; eine Brandstiftung konnte ihm jedoch nie nachgewiesen werden. 
Wohl nicht nur aus wirtschaftlichen Erwägungen verzichtete die Eigentümerin auf einen nochmaligen Wiederaufbau der Mühle in Hennstedt, zog nach Heide und errichtete dort in der Heistedter Straße eine Holländermühle. Der Verdacht eines Brandstifters sollte trotz allem an ihrem Mann haften bleiben. 


Die dritte Hennstedter Windmühle trug den für Mühlen ungewöhnlichen Namen ‚Justitia’ mit folgender Bewandtnis:
Ein aus dem schleswig-holsteinisch/dänischen Krieg von 1848/51 zurückkehrender Hennstedter brachte seinen Truppenarzt mit, der nicht so recht wusste, wohin er gehen sollte. Dieser ließ sich hier als Arzt nieder. Als der ortsansässige Doktor Hermann Knölck, genannt ‚Dr. Havergrütt’, von seinem Konkurrenten erfuhr, war er sehr erbost. Noch dazu, dass ihm dieses in aller Öffentlichkeit in spöttischer Weise vom Hennstedter Müllersohn zugetragen wurde, mit dem er ohnehin auf Kriegsfuss stand.
Heimlich kaufte sich Dr. Knölck daraufhin ein Stück Land auf dem Kakelberg.
Als der Müllersohn sich bei nächster Gelegenheit seine Sticheleien in Bezug auf den zweiten Doktor wieder nicht verkneifen konnte, zeigte Dr. Knölck ihm seinen Vertrag über den Grundstückskauf mit den Worten:
Wenn Hennstedt twee Doktors hebbn kann, denn is hier uk Platz für twee Möllers(……..) Wo betherto Heide und Braam6 wokert hefftup’n Kakelberg, dar settik’ntweeteMöhlhen!
Gesagt, getan: Die neue Mühle wurde 1852 erbaut und erhielt den Namen Justitia (Gerechtigkeit).
Der Richtspruch für diese Mühle wurde eigens vom Heimatdichter Klaus Groth verfasst. Dieser stand in verwandtschaftlicher Beziehung zum Gesellen des Mühlenerbauers Peter Köster aus Heide.
Während Dr. Knölck mit dem Bau der Mühle ihren Sinn und Zweck erfüllt sah, er aber an einen Betrieb nicht interessiert war, verpachtete er sie zu seinen Lebzeiten an verschiedene Müller. Nach seinem Tode folgten mehrere Wechsel der Besitzer. Zu ihnen gehörte Friedrich Hermann Thiele, der die Mühle 1885 günstig für 14.000 Mark erwerben konnte. Als sein als Nachfolger vorgesehener Sohn Hinrich Andreas Hermann im 1. Weltkrieg fiel, verkaufte Thiele1918 die Mühle an Johann Georg Gude, der bisher seinen Lebensunterhalt mit der Vermietung von Landmaschinen verdiente.
Bereits 1921 erwarb als letzter Eigentümer der Landwirt Adolf Mehrens die Mühle.
Während sie 1910 durch zusätzlichen Dampfbetrieb und später durch einen Dieselmotor windunabhängig wurde, begann ihr langsamer Niedergang mit dem Abriss eines Flügels 1937 und der Windrose 1949 durch heftige Stürme. 1951 wurde ein weiterer Flügel abgenommen, sodass sie bis zu ihrem endgültigen Abriss 1958 nur noch mit zwei Flügeln lief.
Auch eine vierte Windmühle – allerdings in etwas kleinerer Bauweise - gab es in Hennstedt. Sie wurde für den Sägebetrieb der Zimmerei von Peter Hinrich Suhr im Jahre 1886 errichtet.
Suhr war gleichzeitig Mühlenbauer, beschäftigte bis vor dem 1. Weltkrieg bis zu 20 Zimmerergesellen gleichzeitig und hatte bereits nachweislich fünf Windmühlen in Dithmarschen gebaut. Außerdem war er der Erfinder des patentierten ‚Suhr’schen Wellenkopfs’, der die Statik der Windmühle verbesserte. 
Nach seinem Tod 1912 übernahm sein Geselle Johann Peter Sierks den Betrieb. Als dieser nicht mehr aus dem 1. Weltkrieg zurückkam, wurde der Betrieb durch seine Witwe Marie aufgelöst, die Mühle selbst nach St. Michaelisdonn verkauft.
Das dazu gehörende Wohngebäude in der heutigen Mühlenstraße Nr. 13 wird derzeit vom neuen Eigentümer saniert. 
Der Bericht über diese vier Hennstedter Windmühlen stammt fast ausschließlich aus schriftlicher Quelle. Nur noch mündlich überliefert ist, dass eine Windmühle in der Lindenstraße (heute Schulstraße, Höhe Wäscherei Jebe) gestanden haben soll. Näheres ist hierzu nicht bekannt. Möglicherweise hatte es in der früheren Geschichte Hennstedts noch weitere Bockmühlen gegeben, über deren Existenz das Wissen verloren gegangen ist. 
Allgemein ist zu berichten, dass sich durch die verfeinerte Technik in den ab 1920 entstandenen überregionalen Industriemühlen langsam abzeichnete, dass die kleinen Müllereibetriebe dieser Konkurrenz immer weniger gewachsen waren, zumal bei den Windmühlen hohe Instandhaltungskosten anfielen. Auch hatten viele Bauern dank der neuen Elektrizität eigene Schrotmühlen, so dass auch dieser Erwerbszweig für die Müllereien langsam wegbrach, was ihren Niedergang beschleunigte.
 

Mühle Margaretha um 1920

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Demontage 1982

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Mühle Justitia 1937

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Müller Adolf Mehrens bei der Arbeit

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Sturmschaden Mühle Justitia

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Mühlenbaubetrieb von Peter Hinrich Suhr (rechts auf dem Stuhl sitzend, daneben seine Frau)

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