Ein Name, der im Laufe der Jahrhunderte in Vergessenheit geriet, in der Gegenwart allerdings wiederholt zu Ehren gekommen ist, lautet Nicolaus Reimers. Dieser stammte vom Geschlecht der Baren ab und führte daher den Namen Ursus1. Er wurde am 2. Februar 1551 in Hennstedt geboren und war Sohn armer Eltern. In seiner Jugendzeit war er als Schweinehirt verdingt. An den Besuch einer Lateinschule war allein schon aus materiellen Gründen nicht zu denken. Mit 18 Jahren erst begann er autodidaktisch das Lesen, Schreiben und Rechnen sowie die lateinische und griechische Sprache zu erlernen. Es ist gut möglich, dass er Unterstützung vom örtlichen Pastor erfuhr, jedoch nicht erwiesen. 1574 war allerdings Heinrich Rantzau auf ihn aufmerksam geworden. Er förderte ihn und bestimmte seinen weiteren Lebensweg. Eingestellt hatte er Reimers auf dem Hof Hattstedt, dem heutigen Nordhastedt, als Landmesser. Dabei erhielt dieser Zugang zu Büchern und gab auf Kosten seines Gönners zwei „Frühwerke“ heraus, eine lateinische Grammatik und eine Geodaesie 2. Dabei hegte er schon den Gedanken an ein Buch über Astronomie. Die Grammatik war beachtenswert, da Ursus die Deklinationen nicht nach ihrer Funktion sondern nach der Silbenzahl geordnet hatte. Bei einem Freund Rantzau‘s, dem dänischen Edelmann Erik Lange, trat Nicolaus Reimers ab 1584 in den Dienst, wo er durch seine Nähe zu Höhergestellten der Gesellschaft verstärkt Aufmerksamkeit erfuhr. Die Hoffnung von Lange, Ursus dem berühmten Astronomen Tycho Brahe vorzustellen, erfüllte sich nicht. Dieser erkannte wegen seines Standesdünkels nicht den hoch begabten Mathematiker in ihm.
Auf weiteren Stationen war er unter anderem am Hof von Landgraf Wilhelm IV in Kassel tätig. Hier übersetzte er von Nikolaus Copernicus De Revolutionibus Orbium Coelestium ins Deutsche, die noch heute als Grazer Handschrift 3 erhalten ist. In Straßburg, wo er von 1587 bis 1591 lehrte, entwarf und veröffentlichte er 1588 sein Weltmodell Fundamentum Astronomicum, in dem er nur von einem teilweise geozentrisches Planetensystem sprach. Darüber geriet er mit Tycho Brahe in Streit, da dieser es als seine Arbeit ausgab. Er sah sein tychonisches Weltbild gefährdet und beschuldigte Reimers sogar des Plagiats.
1591 berief ihn Kaiser Rudolf II als Hofmathematiker nach Prag, wo er zudem zwecks wirtschaftlicher Absicherung zum Professor der Mathematik ernannt wurde. Dieses Amt als Hofgelehrter behielt er bis kurz vor seinem Tod bei, gab es jedoch nicht zuletzt auch wegen des juristisch immer weiter eskalierenden Streits mit Brahe auf. Nicolaus (Ursus) Reimers starb am 15. August 1600 in Prag an Schwindsucht und ruht dort in der Bethlehemskapelle. Ob er nach seinem außergewöhnlichen beruflichen Aufstieg jemals wieder in Hennstedt verweilt hat, ist nicht bekannt. Nachfolger in seinem Amt in Prag wurde unter anderem Johann Kepler.
Titelblatt der Geodesia Ranzoviana. Leipzig, 1583