Transportwege

Kreisbahn: Verkehrssituation früher

Anstrengend, unbequem und zeitaufwendig war es in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, von Hennstedt aus zur Kreisstadt Heide oder zu anderen Orten zu kommen. Die Wege dorthin waren unbefestigt, in schlechtem Zustand und kaum befahrbar, so dass von ‚Straßen’ keine Rede sein konnte. Unterwegs zu sein war kein Vergnügen und nur mit eigenem Pferdefuhrwerk möglich. Wer keines besaß und auch kein Reitpferd, musste zu Fuß gehen. Eine andere Möglichkeit gab es zur damaligen Zeit in dieser Gegend nicht.
Das änderte sich am 1. Juni 1868, als in Hennstedt eine ’Post-Expeditionsstelle’ eröffnet wurde. Sie unterstand dem Heider Postamt und wurde von Johs. Wilhelm Böhm geleitet. Dieser beauftragte einen hiesigen Pferdekutschenbesitzer mit dem offiziellen Post- und Personenverkehr zwischen Hennstedt und Heide. Je einmal werktäglich fuhr dieser mit seiner ‚Privat-Personen-Post’ – so die offizielle Bezeichnung - zur Kreisstadt und zurück und benötigte dabei für eine Strecke eine Fahrzeit von 2 ½ Stunden, einschließlich der Aufenthaltsdauer auf den Zwischenstationen. Ein weiterer Postkutschenverkehr wurde zwischen Hennstedt und Friedrichstadt eingerichtet, den man jedoch wenig später wieder einstellte. Bekannt ist, dass Jahrzehnte später der Fuhrmann Adolf Westensee aus Hennstedt zusätzlich einen Personentransport übernahm und sein Pferdegespann an den Heider Markttagen zur Kreisstadt und zurück kutschierte. 
Für den Transport von Massengütern zu weiter entfernten Zielen waren diese Postkutschen und Pferdefuhrwerke wegen der schlechten Wegeverhältnisse nicht geeignet, im Gegensatz zu anderen bereits mit einer Eisenbahn erschlossenen ländlichen Gebieten von Neumünster über Hohenwestedt und Albersdorf nach Heide, an die einige Stichbahnen zur Marsch angeschlossen waren. Diese hatten eine Verbindung zum Tönninger Hafen, von dem Güter gut verschifft werden konnten. Wenig später wurde eine Eisenbahnlinie in Nord-Süd-Richtung (Heide – Altona) in mehreren Etappen gebaut, von der die restliche Geest jedoch kaum profitieren konnte, da es hier keine entsprechenden Anschlüsse gab. Nach wie vor machten in dieser Gegend die vorhandenen schlechten Wege die Transporte von landwirtschaftlichen Erzeugnissen schwer, weshalb diese hauptsächlich für den Eigenverbrauch hergestellt wurden. Nur die Eider mit dem kleinen Löschplatz in Horst und den Häfen in Pahlen und Tönning bot per Frachtensegler eine bescheidene Möglichkeit des ‚Im- und Exports’. Der in den Hennstedter Mooren hergestellte Torf wurde größtenteils auf dem Töschen getreidelt, d.h. in kleinen Booten mit dem Pferd vom Ufer aus in die gewünschte Richtung gezogen. Ebenso transportierte man die für die hiesigen Meiereien benötigte Kohle mit kleinen Booten von Horst aus zur Hennstedter Anlegestelle und verfrachtete das hier gemahlene Mehl und die in dieser Gegend hergestellten Ziegelsteine in umgekehrter Richtung. Massengüter wie Kunstdünger, Baustoffe u.a. waren so allerdings kaum in ausreichenden Mengen herbeizuschaffen.
Der Hennstedter Löschplatz des damals noch viel wasserreicheren Töschens befand sich in der Nähe des heutigen Ärztezentrums. Ganz in seiner Nähe wurden 1963 bei Erdarbeiten zum Bau eines Silos für die damaligen Spar- und Darlehnskasse Reste von Dalben zum Befestigen von Booten entdeckt. An der Tellingstedter Straße lässt heute nur noch das alte, aus roten Ziegelsteinen bestehende Brückengeländer den dort heute  fast unsichtbaren Töschen erahnen.

Idee, Vorplanung und Beschluss
Der Anstoß zum Bau einer Schienenbahn kam vom Hennstedter Landwirt Johannes Vester. Er erkannte schon sehr früh die Notwendigkeit zum Bau einer Schienenbahn für die Geestdörfer in Norderdithmarschen, nicht zuletzt mit Blick auf die bereits vorhandenen Stichbahnen in der Marsch, die einen besseren Transport von Gütern möglich machten.Viel Ausdauer und Engagement benötigte Vester, um zunächst den zuständigen Landrat Dr. Behncke von seiner Idee zu überzeugen; denn zunächst stieß er dort auf taube Ohren. ‚Der Vester ist schon wieder da mit seinem Bahnprojekt’, soll Behncke verdrießlich geseufzt haben, wenn dieser wieder einmal bei ihm vorstellig wurde. Auch brauchte es eine gewisse Zeit, um in nächster und weiterer Umgebung genügend Interessierte und Mitstreiter zu gewinnen.
Als Vester im Jahre 1899 Amtsvorsteher von Hennstedt wurde, konnte er seine Kontakte verstärken. Seiner Überzeugungskraft und Beharrlichkeit hatte man es schließlich zu verdanken, dass der damalige Landrat nicht nur interessiert, sondern zu einem eifrigen Verfechter des Bahnprojektes wurde, denn auch er erkannte dabei eine bessere Erschließung und wirtschaftlichen Versorgung der Geest.
Zunächst mussten die Kosten eines solchen Projekts und die Machbarkeit der Finanzierung geprüft werden, denn der Landkreis selbst hatte hierfür kaum finanzielle Mittel zur Verfügung. Erst als die voraussichtlichen Gesamtkosten ermittelt und die Zuschüsse vom Staat, Land und der Stadt festgestellt worden waren, wurde auf der Kreistagssitzung am 11. Juli 1901 der Bau einer Kleinbahn für den Kreis Norderdithmarschen einstimmig beschlossen.
Eine Schmalspurbahn sollte es werden, und zwar deshalb, da hierfür geringere Erdarbeiten und Materialkosten entstehen würden und der dringend benötigte staatliche Zuschuss mit einem Anteil von 40 % nur so zu erhalten war.
Da man sich darüber im Klaren war, dass dieses Unternehmen bei den laufenden Kosten ein Zuschussbetrieb werden würde, wurde auch gleich die Höhe der finanziellen Beteiligung der anliegenden Dörfer an diesen Kosten in Prozenten festgelegt, wobei der Anteil für die Gemeinde Hennstedt bei 10 % lag. 11

Ähnlich wie hier um 1900 in Tellingstedt hat man sich die Postkutschenstation zu dieser Zeit auch in Hennstedt in der Poststraße (heute Mittelstraße) vorzustellen, aus: Der letzte Zug von Delve – Begleitheft zur Ausstellung Heide 2011

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