Vom Ursprung des Ringreitens
Bereits vor 2000 Jahren gehörte es im Römischen Reich zum militärischen Drill, mit Lanzen durch Ringe zu stechen. Im Mittelalter waren es die Ritter, die sich vom galoppierenden Pferd aus u.a. auch in dieser Disziplin übten. Unter großer Zuschauerbeteiligung zeigten sie auf Turnieren ihr Können und lieferten sich dabei mit anderen Rittern entsprechende Wettkämpfe.
Die ersten von Bürgerlichen ausgetragenen Ringreiterspiele sind aus der Hanse-Zeit im 13. Jahrhundert bekannt. Reiche Lübecker Patrizier forderten die Adeligen im Rahmen von festlichen Veranstaltungen zu solchen Wettkämpfen heraus. 18
Auch auf Schloss Gottorf waren solche Spiele beliebt. Wie bei der Feudalherrschaft der Barockzeit üblich, endeten diese mehrtägigen Veranstaltungen, zu denen zahlreiche Gäste von nah und fern eingeladen wurden, in rauschenden Ballnächten. Nach und nach wurde das Ringreiten auch in vielen Dörfern Schleswig-Holsteins kopiert. Pferde, wenn auch nicht so edle, gab es zur Genüge, wurden diese doch als Arbeitstiere in der Landwirtschaft dringend gebraucht. Es bildeten sich sogenannte Ringreitergilden, die mit Unterbrechungen in Not- und Kriegszeiten diese Veranstaltungen durchführten.
Das Ringreiten ist außer in Schleswig-Holstein heutzutage nur noch im südlichen Dänemark gebräuchlich.
Ringreiten in Hennstedt
Seit wann es Ringreiter-Wettkämpfe in Hennstedt gibt, liegt im Dunkeln. Schriftliche Unterlagen darüber konnten nicht gefunden werden. Mehrere Zeitzeugen können sich jedoch daran erinnern, dass die Landjugend vor dem letzten Krieg solche Veranstaltungen auf dem Vossbarg (hinter der Verschönerung) durchführten.
Es ist davon auszugehen, dass es auch vor dieser Zeit bereits solche Wettkämpfe in Hennstedt gab, ohne dass diese in schriftlicher Form festgehalten wurden.
Fest steht jedoch, dass am 30. September 1949 im Gasthof Thomsen in der Kirchenstraße der Ringreiterverein Hennstedt gegründet wurde. Dieses ist dem seit dieser Zeit existierenden Protokollbuch zu entnehmen.
Auf der Gründungsversammlung wurde neben der Festlegung der Satzung, des Jahresbeitrages und weiterer erforderlicher Regularien beschlossen, eine Vereinsfahne anfertigen zu lassen. Hierzu sollten die Mitglieder eigene Entwürfe zur nächsten Versammlung mitbringen.
Offensichtlich herrschte bei einer der nächsten Mitglieder-Versammlungen Einigkeit über ihr Aussehen; denn es wurden ‚einige Mädels’ für das Nähen und Sticken der Fahne gesucht. Übernommen hatten diese Arbeiten letztendlich Wilma Sprenger (Brandmoor), Selma Diener, Marlene Sommer und Christine Hinrichs (Hochfeld).
Das Ringreiten fand nun jährlich auf wechselnden Veranstaltungsplätzen (Hauskoppel von Hermann Hinrichs, Bahnhofsvorplatz, Verschönerung etc.) statt. Ebenso gab es in jedem Jahr eine Jahreshauptversammlung im Vereinslokal Gasthof Thomsen.
Der Verein organisierte darüber hinaus ‚Wintervergnügen’ in Form von Doppelkopf-Kartenspielen, bei denen Fleischgewinne ‚verspielt’ oder zu Vorträgen eingeladen wurde.
1951 wurde das Ringreiten um ein Preisschießen und Ponyreiten erweitert. Ringreiterkönig wurde damals Helmut Diercks aus Linden.
Da die Finanzierung dieses Festes nicht allein durch die Beiträge der Mitglieder geleistet werden konnte, führten diese einträgliche Sammlungen bei der Hennstedter Geschäftswelt durch. Darüber hinaus fanden sich passive Mitglieder, die durch Bereitstellung von Preisen, technischen Geräten oder in anderweitiger Form den Verein unterstützten.
Der Ringreiterverein selbst wirkte auch bei anderen Veranstaltungen im Dorf mit. 1952 beteiligte er sich an der Gestaltung des Erntedankfestes, indem dort Geschicklichkeitsreiten wie z.B. Quadrillereiten und Jagdspringen vorgeführt wurden. Bei Umzügen anderer Hennstedter Vereine wurden Spitzenreiter zur Verfügung gestellt, wie auch umgekehrt die Feuerwehrkapelle die Umzüge des Ringreitervereins mit Musik begleitete.
Trotz des zunächst noch regen Vereinslebens mit steigender Mitgliederzahl musste Anfang der 60er Jahre festgestellt werden, dass das Interesse hieran abnahm und auch die Pferdebeschaffung durch die Technisierung der Landwirtschaft immer schwieriger wurde. Am 8.12.1964 wurde bei einer Anwesenheit von nur noch 7 Mitgliedern beschlossen, den Verein aufzulösen oder ruhen zu lassen (beide Aussagen gehen aus dem Protokollbuch hervor) und die Fahne der Kyffhäuser Veteranen-Kameradschaft Hennstedt zur Verwahrung übergeben.
H A L L O ! ! !
Mit diesem Eintrag melden sich am 26.8.1982 Ringreiter-Interessierte im Protokollbuch des Vereins zurück. Auf Initiative von ‚Pferdenarr’ Hermann Hinrichs fand an diesem Tag im Vereinslokal Gasthof Sommer eine Versammlung statt, auf der abgeklärt werden sollte, ob es genug Interessenten für ein Wiederaufleben des Ringreitervereins geben würde. 14 Anwesende stimmten diesem zu und erklärten sogleich ihren Eintritt in den Verein.
Die Satzung von 1949 wurde um drei weitere Paragraphen ergänzt. Aufgrund dieser Erweiterung konnten jetzt alle Hennstedter Bürger aufgenommen werden, sofern die Mitglieder dem zustimmten. Also durften erstmalig auch die Frauen und
Mädchen an den Wettkämpfen teilnehmen. Und diese zeigten auch bald ihr Können, wie man der ‚Königs-Liste’ gem. Anhang entnehmen kann.
Das Interesse an den wieder auflebenden Ringreiterverein war unter der Dorfbevölkerung groß, was sich in ihrer Spendenbereitschaft niederschlug. Der Tierarzt Dr. Hentscher stiftete den Wanderpokal in Form eines silbernen Tellers und der damalige Bürgermeister Dr. Guldager die Königskette. Außerdem erhielt der Verein von der Hennstedter Geschäftswelt zahlreiche Sach- und Geldspenden für die zu gewinnenden Preise der Ringreiter-Teilnehmer.
Schon zwei Wochen später - am 11.9.1982 - fand das Ringreiterfest auf der Hofkoppel von Hermann Hinrichs statt. Viele junge und ältere Zuschauer hatten sich vor Ort eingefunden und miterlebt, dass Peter Jebe mit 15 Ringen Ringreiterkönig wurde.
Jährlich gab es nun wieder ein Ringreiten, das mit vielem Aufwand organisiert werden musste, wie aus den verschiedenen Sitzungsprotokollen hervorgeht. Außerdem fanden im Winter Spielabende und ein Grillfest im Sommer statt. Zum besonderen Erlebnis wurde 1983 einmal eine Fahrt zur Hengstparade nach Redefin.
Die von Mariechen Schlüter in mühevoller Handarbeit im Jahre 1949 wieder hergerichtete, alte Vereinsfahne wurde in der nachfolgenden Zeit so verschlissen und musste ersetzt werden. Schweren Herzens stimmten besonders die älteren Ringreiter diesem Beschluss zu, waren doch mit der alten Fahne viele schöne Erinnerungen verbunden. Heute hat sie einen Ehrenplatz im Vereinslokal Witt in Glüsing. Anlässlich des Ringreitens im Jahr 1999 wurde dann die neue Vereinsfahne eingeweiht.
Im Jahre 1986 trat der Hennstedter Ringreiterverein der ‚Eiderkante’ bei, einem Zusammenschluss von gleichen Vereinen aus den umliegenden Dörfern, um sich an den jährlich ausgetragenen, gemeinschaftlichen Pokalringreiten zu beteiligen. Hierzu wurden die jeweilig fünf besten Reiter(innen) entsandt.
Während die Mitgliederzahl des Ringreitervereins 1986 auf 33 angewachsen war, wurden 1994 sogar 80 Mitglieder registriert. In der Zeit danach musste man allerdings einen Mangel an Nachwuchs im Verein feststellen. Den Grund dafür sah man darin, dass es – ähnlich wie 1964 - kaum noch eigene Pferde im Dorf gab und Leihtiere für viele zu teuer waren.
Der nun schon seit langer Zeit in den Sommerferien stattfindende jährliche Ferienspaß, bei dem u.a. Kutschfahrten und Kinderringreiten auf geführten Pferden angeboten wird, hat nicht zuletzt auch den Hintergrund, das Interesse an diesen spielerischen Wettkämpfen bei ihnen zu wecken und sie an diesen Sport heranzuführen.
Das Kinderringreiten ist nach Altersgruppen unterteilt. Geritten wird auf Pferden oder Ponys nach Schritt, Trab und Galopp. Jedes Kind erhält einen Preis. Auch die kleinen, nicht reitenden Kinder kommen bei diversen Spielen auf ihre Kosten, ebenso die begleitenden Erwachsenen bei Kuchen, Kaffee oder Grillspezialitäten.
Es ist anzunehmen, dass die nun seit vielen Jahren stattfindende Aktion ‚Ferienspaß’ im Laufe der Zeit dazu beigetragen hat, dass der Hennstedter Ringreiterverein derzeit auf ca. 100 Mitglieder angewachsen ist.
Zu wünschen sind ihm weiterhin viele Mitglieder; die mit ihren Aktivitäten letztendlich auch für unser Dorf diese alte Tradition pflegen und bewahren.
Mittelstück einer Zinnkrug-Gravierung 1794 aus Schleswig-Holstein19
Adeliges Ringreiten – Unbekannter Meister des 17.Jahrh. nach einem Kupferstich von Crispian de Pas, 1623
Am 14.5.1950 fand die feierliche Fahnenweihe und Übergabe an den 1. Vorsitzenden des Vereins auf dem Schulhof statt. Anschließend folgte das Ringreiten auf dem Kummerfeld, bei dem unter Beteiligung einiger Außendörfer des Kirchspiels 48 Reiter antraten. König wurde Uwe Peters aus dem Lindener Koog. li: K. Reiter, re: H. Vester.
Alte Fahne des Ringreitervereins
Umzug Ringreiten 1949 Von links Fußgänger: Icke Boye, Christian von der Heyde. Reiter: Kurt Reiter, Johann Diener, Hermann Bohnhoff
Ringreiten 1950 – König wurde Hermann Hinrichs auf ‚Lore’
Ringreiten 1950 Polizisten E. Paulsen (li) u. P. Husmann (re) Vorreiter Hermann Hinrichs Selbst die Kinder wurden für diesen Anlass festlich angezogen
Ringreiter König 1957: Heinrich Westensee vorne links: Fritz Thomsen (Fritzpastor)
Vereinslokal Gasthof Thomsen in der Kirchenstraße (im Zuge der Straßenverbreiterung abgerissen)
Ringreiten 1984 Königin Dörte Hinrichs
Vorsitz 1991 Hermann Hinrichs und Ludwig Clausen 1991
Fahnenweihe 1999
Rechte Fahne: neue Standarte Ringreiterverein - Träger: Hermann Hinrichs Bildmitte: Fahne Vogelgilde – Träger: Johann-Hinrich Thiessen
Die neue Ringreiterfahne von beiden Seiten
links unten: Hermann Hinrichs mit alter Fahne – rechts: Werner Köhn mit neuer Fahne
Die neue Ringreiterfahne von der anderen Seite
Kinderringreiten 1993 auf dem Hof von Hermann Hinrichs
Ferienspaß – ausgerichtet vom Ringreiterverein, 2008 Nähe Hof Peters, Norderstraße
Ferienspaß – ausgerichtet vom Ringreiterverein - auf Koppel von Hermann Hinrichs
Auch an Fasloms-Umzügen beteiligte sich der Ringreiterverein mit geschmückten Wagen.
Gründungsmitglieder Hermann Hinrichs (rechts) und Johannes Diener (2. v. links mit altem Protokollbuch) werden für 60 Jahre Vereinstreue ausgezeichnet.
Ganz links: Vorsitzender Jürgen Friedrichs, Mitte: ehemaliger Vorsitzender Ludwig Clausen
Aufnahme am 18.7.2009