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Landvolkbewegung

Landvolkbewegung

In den späten zwanziger Jahren geriet die Landwirtschaft in eine Krise. Dies betraf besonders Betriebe an der Westküste Schleswig-Holsteins, die auf bestimmte Produkte spezialisiert waren und -  z.B. für die Viehmast -  Kapitalbedarf hatten. Da die Kosten stiegen und Kredite aufgenommen werden mussten, führte dies leicht zur Verschuldung der Bauern. Dazu kam eine hohe Steuerbelastung. In dieser krisenhaften Situation fühlten sich die Bauern von ihren landwirtschaftlichen Interessenverbänden nicht angemessen vertreten und gingen in Großdemonstrationen an die Öffentlichkeit. Sie forderten Verbesserungen in der Handels- und Steuerpolitik, waren aber nicht zufrieden mit den dann erfolgenden Staatshilfen. Sie protestierten insbesondere gegen Steuereintreibungen bei säumigen Steuerzahlern. Ihre Wortführer waren Wilhelm Hamkens aus Tetenbüll in Eiderstedt und Claus Heim aus St. Annen-Österfeld in Norderdithmarschen. Ab November 1928 wurden nun Aktionen gegen Zwangseintreibungen organisiert: Gerichtsvollzieher wurden durch Gruppen von Bauern, die mit Stöcken oder Gartengeräten „bewaffnet“ waren, am Betreten eines Hofes gehindert und Versteigerungen durch lautes Singen oder Lärmen unmöglich gemacht. In Protestversammlungen – allein in Heide kamen 20.000 Personen zusammen - fühlten sich die Bauern in ihren Aktionen zum Steuerstreik bestärkt und traten zunehmend selbstbewusster auf. Bei ihren Versammlungen führten sie nun auch eine Fahne mit: Auf schwarzem Grund ist ein silberner Pflug dargestellt, der von einem roten Schwert senkrecht durchstoßen wird. Die Fahne wurde an einer Sense befestigt, deren Blatt als Verlängerung des Stiels geschmiedet war und so keine Gefährdung mehr darstellte. (Der Verbleib der Fahne ist bisher unbekannt.) Kam es zu Gerichtsprozessen infolge der Selbsthilfe-Aktionen und gar zu Verurteilungen der Beteiligten, schaffte das Landvolk durch Demonstrationen öffentliche Aufmerksamkeit. Diese Solidaritätskundgebungen stärkten das Zusammengehörigkeitsgefühl der Bauern und einte sie in ihrer Opposition gegen die Behörden, darüber hinaus gegen „das System“ der Weimarer Republik. 
In der Weltwirtschaftskrise kam es zu radikaleren Formen des Protestes. Insbesondere eine Gruppe um Claus Heim versuchte nun mit Bombenanschlägen gegen Finanz- und Landratsämter ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Es entstand erheblicher Sachschaden, Personen waren nicht betroffen, und die Täter wurden festgenommen. In der Berichterstattung der Zeitungen über den Prozess 1930 wurde Sympathie für die Akteure deutlich, und die Öffentlichkeit ergriff Partei für die Protestler in einer Kampagne, in deren Folge die Täter vorzeitig aus der Haft entlassen wurden. Statt nach 7 Jahren konnte C. Heim „schon“ nach 3 Jahren das Zuchthaus verlassen. Seit 1928 hatte – parallel zur Landvolkbewegung – die NSDAP in Dithmarschen Anhänger gewonnen. In ihrem Gedankengut wiesen beide Gruppierungen Ähnlichkeiten auf wie z.B. in der antidemokratischen Haltung der „Weimarer Republik“ gegenüber. Und weiter: „Zwischen `Landvolkbewegung` und NSDAP gab es Berührungspunkte in der ausgeprägten Agrarromantik und in einer sozialen und rassischen Überhöhung des Bauernstandes“... 26 
In dem anfänglichen Nebeneinander von „Landvolkbewegung“(LV) und NSDAP machte sich die Partei Hitlers gezielt die unter den Bauern stark verbreitete Proteststimmung zunutze, und sie hatte einige Vorteile in der Vermittlung ihrer Ideologie, da sie besser strukturiert war. Der LV fehlte eine straffe Organisation, gleichwohl bemühte Claus Heim sich, mit der Herausgabe einer Zeitung „Das Landvolk“, das Gedankengut und die Ziele der Gruppe zu verbreiten. Die NSDAP betrachtete sie als Rivalin und war nicht interessiert an ihrem weiteren Bestehen. Diese verlor allmählich viele ihrer Anhänger an die Partei und löste sich letztlich 1933 auf. C. Heim wies das Ansinnen der NSDAP, Mitglied zu werden und dann als Abgeordneter in den Reichstag zu gehen, entschieden zurück.

Es ist zu vermuten, dass auch Bauern in Hennstedt oder Umgebung der LV angehörten, da auch hier landwirtschaftliche Betriebe in ihrer Existenz bedroht waren. Es fehlen bisher allerdings Aussagen darüber. Dies alles hatte Auswirkungen unmittelbar auf die Wahlergebnisse der NSDAP. Im Jahr 1932 erreicht diese Partei bei den Reichstagswahlen 51 % der Stimmen (Reichsdurchschnitt: 37,4%), in den wirtschaftlich schwachen Bereichen von Schleswig-Holstein sogar bis zu 80 %. Neben den wirtschaftlichen gibt es noch zahlreiche andere Gründe wie Antisozialismus, Antikapitalismus, Antisemitismus, Ablehnung der Industrialisierung und Urbanisierung, Ablehnung des demokratischen Parteienstaates, Protest gegen den Versailler Vertrag und die nationale 
Entscheidung von 1920, die zu den Wahlergebnissen der NSDAP führen. 27