Nachkriegszeit

In der Folgezeit

Nachdem bereits seit Kriegsende eine Wohnungskommission im Dorf existierte, die für die Ein- und Umquartierung zuständig war, bildete sich später eine Flüchtlingskommission, in der auch ein ehemaliger Flüchtling Mitglied war. Ziel dieser Kommission waren die Abschaffung von Missständen, das Schlichten bei Streitigkeiten oder das Organisieren von Möbeln und Haushaltsgegenständen. In einer großen Spendenaktion beschaffte diese Kommission auch das dringend benötigte Stroh für die Bettenlager der Flüchtlinge, wie man den Gemeindevertreter-Sitzungsprotokollen aus dieser Zeit entnehmen kann. 
Im April 1946 wurden die Internierungslager aufgelöst, was eine kleine Verbesserung der Wohnraumsituation bedeutete. Aber erst zu Beginn der 50er Jahre entspannte sich die Lage auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt wesentlich, da viele Flüchtlinge im Rahmen des Umsiedlungsprogramms aus Hennstedt wegzogen. Vor allem waren es die jüngeren ehemaligen Flüchtlinge, die ins Ruhrgebiet wechselten, wo sie Arbeit fanden und auch mit dem Beginn der Zeit der Vollbeschäftigung gebraucht wurden. In Schleswig-Holstein wurden zu der Zeit knapp eine halbe Million Umsiedler registriert.54  
Im Jahre 1950 bildete sich zuerst in SchleswigHolstein, dann bundesweit  der ‚Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten‘ (BHE), eine politische Partei, die die Interessen der Flüchtlinge vertrat. Sie konnte bei den Landtagswahlen im gleichen Jahr ein Wahlergebnis von 23,4 % verzeichnen und war damit als zweitstärkste Partei gut in der Landesregierung vertreten.
In den nächsten Wahlperioden verlor sie jedoch erheblich an Stimmen und war ab 1961 nicht mehr im Landtag. 55 Wie hoch der Stimmenanteil dieser Partei im Kreis Norderdithmarschen und in Hennstedt selbst war, konnte nicht mehr ermittelt werden. Ein ähnlich hoher Prozentsatz ist zu vermuten. 
Mit diesem Wegzug und dem Beginn des Wohnungsbau-Programms Mitte der 50er Jahre verbesserte sich die Wohnungssituation stetig. Im Rahmen des Lastenausgleichs- und des Bundesvertriebenengesetzes wurde der Bau von Einfamilienhäusern für die ehemaligen Flüchtlinge gefördert. 
Allein in der Siedlerstraße entstanden 30 solche Häuser, in denen viele ihr neues Zuhause fanden. Nicht zuletzt hatte die Mobilität, Anpassungs- und Leistungsbereitschaft der ehemaligen Flüchtlinge mit der beginnenden Vollbeschäftigung ab 1950 zur anhaltenden Hochkonjunktur und dem Wirtschaftswunder beigetragen. Sie galten auch deshalb spätestens ab 1961 als wirtschaftlich und sozial integriert, 56 auch wenn vereinzelt noch Diskriminierungen vorkamen. 
Ein ehemaliger Flüchtling erzählte, dass er sich 1958 mit einem guten Zeugnis (Mittlere Reife) in Hennstedt bei einem Geldinstitut um einen Lehrplatz beworben hatte. Diese wurde jedoch abgelehnt mit der Begründung: ‚Du hast zwar ein gutes Zeugnis, aber Du kommst ja leider aus dem Lager‘ (Flüchtlingsbaracken). Diese Aussage hatte ihn schwer getroffen und noch lange nachgewirkt. 
‚Mischehen‘ zwischen Hiesigen und ehemaligen Flüchtlingen traten immer häufiger auf; anfangs von den hiesigen Eltern nicht immer gern gesehen, was zum Teil in den unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnissen begründet war. 
Ein Zeitzeuge berichtet, dass er sich Mitte der 60er Jahre bei seinen zukünftigen Schwiegereltern einer richtigen Prüfung ausgesetzt sah, indem er viele Fragen über seine neue Heimat zu beantworten hatte und ‚im Plattdeutschen‘ getestet wurde. 
Heute sind die Unterschiede zwischen den hiesigen und ehemaligen Flüchtlingen verwischt. Aber die Trauer um den Verlust der alten Heimat ist bei den ehemaligen Flüchtlingen noch vorhanden und die schrecklichen Erlebnisse, die sie auf der Flucht erleiden mussten, nicht vergessen und zum Teil auch nicht verarbeitet, wie man den emotionalen Berichten einiger Zeitzeugen entnehmen kann. 
 

Siedlerstraße mit 30 Neubauten

dorf_bilder/Chronik_Hennstedt_pdf__Seite_46_von_380_.jpg